iuvare Blog

Startseite » Hürden des Alltags

Manfred Zarnetzki

Diesen Beitrag teilen:

Beim ersten persönlichen Treffen mit dem Inhaber-Geschäftsführer eines Unternehmens hörte ich folgenden Satz: „Wissen Sie, Herr Zarnetzki, wir arbeiten hier hart, engagiert und motiviert, das ganze Jahr hindurch. Und zwischendurch zeigt uns das Rechnungswesen, ob wir finanziell erfolgreich sind. Wir wissen aber nicht so richtig, warum. Und das möchte ich ändern.“

Das Unternehmen war in den letzten Jahren stetig gewachsen, die Anzahl der parallel abzuarbeitenden Projekte stieg an, neue Aufgaben kamen hinzu und die Organisation wuchs. Ab einem bestimmten Punkt reichten Erfahrung, Expertise und das Bauchgefühl des Entrepreneurs nicht mehr aus, um sein Schiff sicher steuern zu können.

Mit diesem ungeschminkten Blick auf seine Situation hatte er bereits den ersten wichtigen Schritt auf dem Weg zu einer Veränderung gemacht: die Erkenntnis, dass gehandelt werden muss. Das ist durchaus nicht üblich; nicht selten kommt es erst zu diesem Schritt, wenn das Dach bereits in Flammen steht.

Doch was folgt dann, wie geht es weiter?

Die nach außen hin kommunizierte Erkenntnis führt keineswegs automatisch zu konsequentem Handeln: Eine vermeintliche Schwäche einzugestehen, kratzt am Ego. Das Infragestellen von bisher Vertrautem, die urmenschliche Aversion gegenüber dem Unbekannten (und den vermeintlichen Gefahren, die dort lauern), lässt unsere Psyche kreativ werden, um auf dem gegenwärtigen Stand zu verharren.
Ein Professor stellte uns mal die Frage: „Auf einem Felsen steht ein Baum. Darauf sitzen sieben Tauben. Drei davon entscheiden sich, an den Rand einer dunklen Felsspalte zu fliegen. Wieviel Tauben verbleiben dann noch auf dem Baum?“ *)

Mentale Abwehrmechanismen, die sonst hilfreich sind, das Leben erträglicher zu gestalten und unser inneres Gleichgewicht vor zu großen Erschütterungen zu bewahren, bremsen uns jetzt aus. Resultat: Eine Idee verschleppt sich, eine notwendige Veränderung versandet, das angestrebte Ziel (hier bitte Ihre persönliche Herausforderung einsetzen) droht hinter dem Horizont zu verschwinden. Kegan und Lahey haben einen treffenden Begriff hierfür erfunden: die Immunität gegenüber Veränderung.

Veränderungsprozesse enden in der Sackgasse, wenn der tatsächliche Grund für die innere Blockadehaltung nicht erkannt wird. Was hilft, den ersten Schritt hin zu der eigentlich gewünschten #Veränderung zu gehen, ist, diese Mechanismen in geschützter, Vertrauen spendender Atmosphäre sichtbar zu machen und nach den tiefen liegenden Gründen zu forschen, die einen daran hindern, das offensichtlich Richtige zu tun.

Erst danach wird eine passende Aktion in Richtung der gewünschten Veränderung beschlossen. Die Klienten erleben, dass die befürchteten Konsequenzen nur in abgeschwächter Form auftreten, häufig komplett ausbleiben und sich im Gegenteil durch positives Feedback des sozialen Umfelds sogar neue Türen öffnen und die Handlung zusätzlich verstärken.

Wie ging es nun mit unserem Unternehmer weiter?

Aufbauend auf dem Bild, der Idee, was erreicht werden soll wurde schnell klar, dass das Ziel nur mit signifikanten Eingriffen in Abläufe und Strukturen der Organisation erreicht werden kann. Gemäß (nicht nur) meiner Auffassung, dass Organisationen keine Kästchenansammlungen auf Powerpoint-Folien oder Flowcharts sind, sondern soziale Systeme, in denen Menschen miteinander agieren, war klar, dass wir die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Anfang an in diesen Prozess miteinbeziehen werden.
Je nach „Betroffenheitsgrad“ wurden entweder Infoveranstaltungen, Workshops oder Einzelgespräche begleitend zu der Umsetzung durchgeführt. Wichtig war uns ebenfalls, Zwischenschritte zügig abzuschließen und die bereits erzielten Verbesserungen zeitnah zu kommunizieren. Die Geschäftsführung zeigte über den gesamten Prozess hinweg Präsenz und Interesse und stärkte dadurch das Projektteam bei der Umsetzung.

Technische Lösung: Machen wir uns nichts vor: Wenn es gut werden soll, ist ein solches Projekt umfangreich und berührt alle Unternehmensfunktionen. Das Lastenheft wurde im Führungskräfte-Team entwickelt, so schlank wie möglich gehalten und schließlich durch die Geschäftsführung freigegeben.
Das bestehende ERP -System wurde auf Verwendbarkeit hin überprüft, um so weit wie möglich ausgabenschonend vorzugehen. Externe IT- Systemhäuser wurden vor-ausgewählt und um pitches gebeten. Nach der Konzeption wurden die Projekt-Meilensteine nach Umfang und Zeitbedarf abgeschätzt und auf dieser Basis dann ein Zeitfenster ermittelt, das so wenig wie möglich den operativen Ablauf – Produktionsprozesse, Closing-Termine, Jahresabschluss, große Kundenprojekte etc. – behindert. Natürlich nicht ohne Kompromisse einzugehen. Im Projektablauf wurden Kontrollpunkte festgelegt, um zu überprüfen, ob das Projekt sich noch auf dem gewünschten Pfad befindet. Am Ende konnten wir den Erfolg feiern und das eingeführte Kostenrechnungssystem, das Kostenstellen-, Kostenträger-, und Projektkostenrechnung umfasst lebt noch heute. Die Mitarbeiter sind aufgefordert, ihre Verbesserungswünsche mitzuteilen, welche dann routinemäßig in einem Steering Committe auf eine Umsetzung hin überprüft werden.

*) Möglicherweise alle sieben: Sich entscheiden bedeutet noch nicht, auch entsprechend zu handeln.

Go to Top